Sonntag, 28. Oktober 2012

Stricksucht - Hilfe, ich hänge an der Nadel!

Hallo, mein Name ist Monika und ich bin stricksüchtig. Ich hänge an der Nadel. Tag und Nacht denke ich an das Stricken. Und wenn ich es gerade nicht tun kann, werde ich nervös, unausgeglichen und motzig. Wenn ich dann allerdings meine Nadeln wieder zur Hand nehmen kann, durchströmt mich eine innere Ruhe und Gelassenheit. Die Welt wird ein bisschen wärmer. Und bunter.

Eigentlich passe ich ja gar nicht in die Suchtgruppe. Wenn man an diese Junkies denkt, erscheinen vor dem inneren Auge alte Damen mit grau melierten Haaren, die sie zu einem Dutt hochgesteckt haben. Es liegt ein schwacher Geruch von Verwesung in der Luft. Ganz leise wird diese Phantasie untermalt von Glenn Miller oder Frank Sinatra, die leise aus einem Plattenspieler kommen.
Mein Haar hingegen hat zwar nicht seine natürliche Farbe, aber es hat auch noch einige Jahre Zeit, bis sich die ersten grauen Haare zeigen werden. Ich bin Mitte zwanzig, habe studiert, bin berufstätig und habe auch Freunde. Und doch bin ich stricksüchtig.

Und ich bin nicht alleine damit. Allein auf Google ergibt das Suchwort "Stricksucht" knapp 10.000 Ergebnisse. Damit decken wir aber nur den deutschsprachigen Raum ab. Suchen wir noch nach "knitting addiction", finden wir !5.830.000! Einträge. Diese Sucht scheint also weitverbreitet zu sein. Und das Schlimmste ist: Du wirst als Kind nicht davor gewarnt - ganz im Gegenteil!

Meine persönliche Suchtgeschichte beginnt in der Grundschule. Im textiles Werken-Unterricht. Angefangen hat nämlich alles mit Donald Duck, oder besser gesagt: mit seinem gehäkelten Pendant. Meine Einstiegsdroge war das Häkeln. Lange Zeit konnte ich gegen die Sucht ankämpfen, aber es ist wie mit einem trockenen Alkoholiker: Du darfst keine einzige Masche häkeln oder stricken, sonst hast du wieder einen Rückfall und endest wie gebannt auf die Wolle in deiner Hand starrend, vor dich hinmurmelnd: "Nur noch eine Reihe, dann höre ich wieder auf!" Muss ich wirklich noch erwähnen, dass es bei dieser einen Reihe nicht bleiben wird? Dass du doch wieder die halbe Nacht stricken wirst, um dann am nächsten Morgen völlig übermüdet zur Arbeit zu gehen, wo du doch nur die Minuten zählst, bis du wieder zurück zu deinen Nadeln kannst? Ich glaube nicht.

Wie soll es mit mir weitergehen? Keine Suchtklinik ist auf Stricksucht spezialisiert, Ersatzdrogen bringen ja doch keine ausreichende Befriedigung, und ich kenne noch keinen Fall, der wirklich auf Dauer clean geblieben ist. Und ich muss ein Geständnis ablegen: Ich will gar nicht, dass mir geholfen wird. Ich will weiterhin Mützen, Pullover, Socken, Handschuhe, Topflappen und Katzenpfotenwärmer stricken. Denn ich halte es wie die meisten Süchtigen: Solange ich damit keinem weh tue, ist es doch meine Sache, was ich tue. Außerdem gibt es nicht Schöneres als dieses Gefühl, ein Strickstück vollendet zu haben - auch wenn dieser Kick nicht lange anhält und ich bald schon wieder zur Nadel greifen muss.

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